Mit 18 Jahren beendete ich mühelos meine Lehre zum Verkäufer in einem Fachgeschäft für Tapeten und Bodenbeläge. Der Ausbildungsbereich „Warenpräsentation“ lag mir besonders. Artikel in Regalen, auf Verkaufsflächen und im Schaufenster so zu präsentieren, dass sie beim Kunden gut ankamen, machte mir Spaß.
Wer an dieser Stelle des Buches eine böse Vorahnung hat, dem werde ich dieses nicht verübeln. Nach der Ausbildung bekam ich von meinem Chef das Angebot, weiter in seinem Betrieb zu bleiben.
»Das muss ich mir noch überlegen«, sagte ich zu ihm.
Er sah mich böse an und sagte zornig zu mir: »Was gibt es zu überlegen? Dann lassen wir es besser!«Damit war ich raus! Schlimm fand ich das nicht. Ich wollte sowieso nicht als Lohnsklave – und das zudem für Kleingeld – enden. Immerhin lebte mein Vater mir vor, wie leicht man an gehörig Bares kommt.
Trotz der durch meine Entscheidung resultierenden Arbeitslosigkeit begab ich mich nicht auf Jobsuche. Der Grund dafür war die damalige Wehrpflicht in West-Deutschland.
Ich rechnete damit, in Kürze zur Bundeswehr eingezogen zu werden und beabsichtigte, bis zum Beginn der Kriegsspiele eine Auszeit zu nehmen und das Leben bis dahin zu genießen. Oft schlief ich bis zur Mittagszeit, faulenzte und ging abends so oft auf Wanderschaft wie nie zuvor. Drei oder viermal in der Woche war nun üblich. „Moonlight Shadow“ war ein angesagter Chartbreaker jener Tage, dessen Titel zu den Uhrzeiten bestens passte, an denen ich heimkam, bestens passte. Zeit, um Frauen zu treffen, hatte ich auch genug. Mein stetiger Frauenwechsel festigte mein Ansehen als Weiberheld. Dafür hielten mich zumindest meine Freunde, die mich immer wieder mit wechselnden Bräuten sahen.
Ohne Arbeit war der Tag zwar mein Freund, jedoch einer, der mir bei meinen Geldsorgen nicht helfen konnte.
Ich lebte von dem, was mein Vater mir gab, und damit kam ich knapp über die Runden. Ihn auf mehr anzusprechen, lag mir nicht. Nicht jeder Wohlhabende verwöhnt seine Kinder übermäßig, wofür ich Verständnis besaß.
Zum Glück wohnte ich noch bei ihm im Haus und wurde umsonst beköstigt. Über meinen beruflichen Werdegang nach der Bundeswehr machte ich mir keine Gedanken. Nach einigen Wochen meines Herumlungerns kam mein Vater morgens auf mich zu und meinte zu mir: »Fahr bitte gleich zum Aachener Büro. Ich muss wissen, was da los ist.«
Sein Anliegen kam für mich überraschend und war zudem ausgefallen, denn mit dem Geschäftsbetrieb hatte ich bisher nichts zu tun. Dass er Filialen in Aachen, in Düsseldorf und in Nürnberg betrieb, wusste ich mit Gewissheit. Weitere existierten womöglich in anderen Städten. Ich wollte den Grund meines unerwarteten Einspannens hinterfragen, kam aber nicht dazu – mein Vater war schneller. Unaufgefordert erklärte er mir, dass der Leiter der Aachener Nebenstelle seit Tagen nicht an das dortige Firmentelefon geht und für ihn unerreichbar sei.
In den nächsten Stunden hatte ich nichts Besonderes vor und willigte ein mit: »Klar mache ich.«
Daraufhin reichte mir mein Vater eine Visitenkarte. »Hier ist die Adresse«, meinte er zu mir und beschrieb mir dann mit wenigen Worten den Weg. »Vom Aachener Hauptbahnhof aus gehst du zum Stadtzentrum. Das Büro ist direkt neben der Hauptpost.«
Wenige Monate vorher begann ich meinen Führerschein, der sich aus Trägheit sowie Inkonsequenz hinzog. Zur Fahrschule ging ich selten und halbherzig. Wenn nicht jetzt, dann mache ich den Lappen später bei der Bundeswehr. Um nach Aachen zu kommen, musste ich demnach einen Zug nehmen, was meinem Vater bewusst war.
Er griff in seine Hosentasche und drückte mir zwei Schlüssel sowie 50 DM, mit dem Kommentar: »Das ist für die Fahrkarte«, in die Hand.
Schnurstracks machte ich mich auf den Weg zum nahe gelegenen Bahnhof, um zu der verwaisten Filiale zu fahren. Ich konnte da nicht wissen, dass dies mein Leben so nachhaltig beeinflussen wird, dass es nun so ist, wie es ist.
(WEITER GEHT ES IM BUCH)